Abschließend ------------ Neues Jahr - neues Glück? (von Carsten Schröder) Zugegeben, etwas zweckentfremdet habe ich den bekannten Ausspruch schon, aber glich das Hoffen und Bangen mit (dem) Amiga in den letzten Jahren nicht wirklich einem Glücksspiel? Nun ist also ein weiteres Jahr angebrochen, in dem angeblich alles besser werden soll. Diverse Hard- und Softwareprojekte, welche dem Amiga neues Leben einhauchen sollen, befinden sich in Entwicklung. Aber werden diese - sofern sie überhaupt erscheinen (wir wissen ja, dass das längst nicht bei jeder Ankündigung im Amiga-Bereich der Fall ist) - auch das halten, was sich die Anwender erhoffen? Das hängt allein von deren Realismus ab. User, die meinen, die Veröffentlichung von AmigaOS 4.0 bzw. MorphOS und AmigaOne bzw. Pegasos werde dazu führen, dass viele neue (und alte) Amiga-Anhänger (wieder)gewonnen werden, sollten sich schon jetzt von dieser Illusion lösen. Dies würde höchstens in so geringem Umfang passieren, dass es für einen Fortbestand des Amiga völlig unerheblich wäre. Denn beiden Gruppen könnten die Amiga-Entwicklungen nichts bieten, was sie nicht schon hätten, im Gegenteil: Das Problem fehlender konkurrenzfähiger Anwendersoftware und Spiele wäre damit ja längst nicht vom Tisch. Dieses Manko ist heutzutage nur zu beseitigen, wenn ein neues oder neu zu etablierendes Betriebssystem auf den Massenmarkt abzielt und auf diese Weise mittelfristig weltweit einen nennenswerten Marktanteil im Desktop-Computer-Bereich erringt (nach meiner Schätzung mindestens etwa ein bis zwei Prozent), was derzeit bei Verwendung einer PPC-Hardware nicht realistisch ist. Denn ausgerechnet diejenigen Computeranwender außerhalb des Amiga-Bereichs, die am ehesten bereit wären, sich einen neuen PPC-Rechner zuzulegen, die Apple-User, fallen als mögliche Zielgruppe schon einmal fast komplett weg. Die Mac-Gemeinde setzt sich vereinfacht dargestellt aus zwei Gruppen zusammen: Die einen benutzen ihren Rechner vor allem als Arbeitsgerät und werden schon deshalb nicht auf einen PPC-Amiga umsteigen können, weil schlichtweg die von ihnen benötigte Software nicht zur Verfügung stehen wird. Die andere Gruppe sind die sogenannten Mac-Fans. Warum sie nicht auf den Amiga umsatteln werden, liegt auf der Hand: Sie lieben, ähnlich wie die Amiga-User, ihr Betriebssystem und fühlen sich ihrer "Community" zugehörig - ein Wechsel käme für sie einem Verrat gleich. Diese beiden Nutzergruppen findet man auch bei anderen Betriebssystemen. Lediglich im Windows-Bereich gibt es daneben noch eine dritte User-Schicht: Die der sprichwörtlichen Heimanwender ohne feste Bindung zu ihrem Betriebssystem, welche sich auch mit Einschränkungen bezüglich der Softwareauswahl und -qualität zufrieden geben würden, wenn sie dafür ein Betriebssystem der Spitzenklasse nutzen könnten, das vor allem sehr einfach zu handhaben sein muss, damit selbst absolute Computerlaien keine Bedienungsschwierigkeiten haben. Jedoch ist gerade diese potenzielle Käufergruppe - ebenso wie die extrem wichtige Masse der Noch-Nicht- Computerbenutzer - ganz überwiegend nicht bereit, mehr Geld für einen Rechner auszugeben als absolut notwendig, so dass für sie ein teures PPC- Gerät nicht in Frage kommt. Übrigens: Der beste Beweis, weshalb ein PPC-basierendes Betriebssystem sich nicht etablieren kann, zeigt das Beispiel Linux. Dieses existiert für eine Vielzahl von Prozessoren, darunter auch x86- und PPC-CPUs. Nun ist es jedoch so, dass dieses OS auf x86-Hardware durchaus mit dem Macintosh um Platz 2 auf dem Computermarkt konkurriert, während sich die PPC-Versionen der Linux-Distributionen am Rand der Bedeutungslosigkeit befinden. Dasselbe Schicksal würde jedes Betriebssystem treffen, das ausschließlich für PPC- Rechner erscheint. Dass Linux heutzutage in aller Munde ist, verdankt es ausschließlich seiner Plattformunabhängigkeit bzw. konkret der dadurch ermöglichten Unterstützung der x86-Prozessorreihe. Was aber können die Anwender von einem "PPC-Amiga" erwarten? Nun, immerhin eine deutliche Geschwindigkeitssteigerung im Vergleich zu den aktuellen 68k(&PPC)-Amigas. Zwar wird mangels konkurrenzfähiger PPC-Prozessoren bei weitem nicht die Performance heutiger x86-Rechner realisiert, so dass die x86-Amiga-Emulatoren weiterhin das Nonplusultra bezüglich der Leistung von 68k-Applikationen bleiben werden, aber PPC-native Programme dürften durchaus eine damit vergleichbare Geschwindigkeit erreichen (sofern es Motorola und IBM in Zukunft gelingt, das Leistungsdefizit ihrer CPUs zu den x86-Prozessoren nicht noch weiter ausufern zu lassen). Jedoch stellt sich die Frage, wie lange wir denn nun noch auf das Erscheinen der Amiga-PPC-Entwicklungen warten müssen - ja richtig gelesen: wir. Denn auch ich würde es sehr begrüßen, wenn die gemachten Ankündigungen allmählich mal auf den Markt kämen - wenn auch aus einem ganz anderen Grund als die PPC-Fanatiker (wer sich durch diese - nicht böse gemeinte - Bezeichnung angegriffen fühlt, kann sich bei mir melden): Mir stinkt es allmählich, über ungelegte Eier zu diskutieren. Denn ich kann hundertmal argumentieren, warum dieses oder jenes Projekt chancenlos ist - solange sie nicht auf den Markt kommen, kann und wird dies jeder ihrer Anhänger zurückweisen - danach aber nicht mehr, weil auch sie die Realität nicht einfach ignorieren können. Und noch eines: Je schneller das (leider unabwendbare) Scheitern des PPC- only-Weges deutlich wird, desto eher besteht die Chance, dass die Amiga- Firmen doch noch "die Kurve kriegen" und die Weiterentwicklung von Amithlon hin zu einem echten x86- oder gar plattformunabhängigen OS vorantreiben. Denn da AMIGA, Inc. nicht in der Lage zu sein scheint, das AmigaOS 5.0 in absehbarer Zeit - wenn überhaupt - zu realisieren, ist das meines Erachtens die einzige (wenn auch kleine) Chance, um noch irgendetwas, das den Namen Amiga verdient, zu retten. Übrigens: Manche Amiga-User geben mittlerweile unumwunden zu, dass ihr PPC- Fanatismus eine reine Glaubensfrage ist und ihrer Meinung nach "soviel Ideologie einfach sein müsse". Na das ist doch endlich mal ein (aus deren Sicht) plausibles Argument! Nun ja, ich kann nur für mich sprechen, aber ich lehne jede Form von Ideologie ab (da sie meiner Ansicht nach in jeder Beziehung die Effizienz verringert bzw. in diesem Fall die ohnehin bescheidenen Erfolgschancen einer Amiga-Weiterentwicklung gegen Null tendieren lässt) - für mich ist ein Prozessor nur ein Mittel, jedoch kein Selbstzweck. Daher dürfte spätestens jetzt klar sein, weshalb "unsere" Positionen schlichtweg unvereinbar sind - und zu wissen, WARUM man nicht "miteinander kann", ist doch schon mal ein Fortschritt, nicht wahr? Damit bis zur nächsten Ausgabe, euer Carsten Schröder |